Rolling Stone Artikel über das Phonocentrum
Plattenläden: Die Dealer unseres Vertrauens – es geht wieder aufwärts! (Ausschnitt)
von Fabian Peltsch
Der „Medienfacheinzelhandel“ sucht zwischen Vinyl-Hype und Streaming-Kampf nach Wegen in die Zukunft. Auch wenn die Zahlen anderes sagen: Es herrscht Bewegung in den Nischen, in denen Musik noch wie ein lebenswichtiges Gut verhandelt wird. Eine Wasserstandsmeldung aus Freiburg, Leipzig und Berlin.
Daniel Lässig, der Inhaber des Phonocentrum Leipzig, setzt seit Jahren verstärkt auf alte DDR-Produktionen, besonders bestimmte Veröffentlichungen des Klassiklabels Eterna ziehen Kundschaft aus der ganzen Welt an
Die DDR-Musiker konnten sich noch mit staatlicher Unterstützung über lange Zeit in Kirchen und Aufnahmesälen einmieten und ohne Zeitdruck an der Akustik feilen. Diese Atmosphäre und Dynamik kriegt keiner mehr so hin. Die heutigen CD-Produktionen sind gerade im Klassikbereich oft so überproduziert, dass sie sich fast die ganze Länge über am Vollausschlag befinden“, sagt Lässig.
Der drahtige 43-Jährige aus Thüringen kennt sich aus, schon als Teenager sammelte er Kinderschallplatten-Produktionen von Litera, dem Sprechplatten-Label des DDR-Musik-Monopolisten VEB Deutsche Schallplatten. „Die Sprecher waren phänomenal, gestandene Schauspieler aus dem Berliner Ensemble oder dem Deutschen Theater“, schwärmt er.
Sein Laden, dessen Name sich aus dem 70er-Jahre-Hi-Fi-Begriff und dem „Centrum“ der DDR-Warenhäuser zusammensetzt, liegt im Peterssteinweg, nicht weit von der Hauptschlagader der Leipziger Südvorstadt entfernt. Im Jahr 2000, gut zehn Jahre bevor in dem Studentenviertel die Gentrifizierung einsetzte, feierte sein Laden Eröffnung, und für die dunkelsten Stunden war nicht etwa Napster oder Spotify verantwortlich, sondern eine Baustelle vor der Tür.
Auf knapp 80 Quadratmetern verkauft Lässig im Verhältnis 25 zu 75 CDs und LPs, neben der Klassik auch viel Rock in Second-Hand und Neuauflagen. Seine Kennerabteilung hat er vor sechs Jahren nach nebenan in eine ehemalige Drogerie ausgelagert. Wenn Interessenten kommen, schließt er ihnen auf, bietet Kaffee an und lässt sie stöbern.
Laden vs. Mailorder
Besonders Liebhaber aus Asien gehören seit Jahren zu seinen größten Abnehmern. „Erst kamen die Japaner, mittlerweile kommen auch viele Chinesen, die gezielt nach Kammermusik aus der DDR suchen.“ Mit ihnen teilt Lässig sein Fachwissen, er weiß, dass das Leipziger Gewandhausorchester schon zu DDR-Zeiten Verbindungen nach Asien knüpfte und viele Musiker später Japanerinnen heirateten. Da er mittlerweile auch gut mit den Urhebern von einst vernetzt ist, kann es durchaus vorkommen, dass er Alben, die im Internet hoch gehandelt werden, billiger anbieten kann als beispielsweise Amazon.